Jubilar Wilhelm Schmitt auf dem Schaukelthron mit Helfer Karl-Heinz Thelen


In früheren Jahren zogen die Burschen vor das Elternhaus des Geburtstagskindes und sangen ihm folgendes Scherzliedchen:

Schier dreißig Jahre bist du alt und hast noch keinen Mann (Frau).
Du wirst auch keine mehr kriegen, du mußt allein im Bette liegen, du altes Rumpelfaß.


Das war sicherlich nicht sehr ernst gemeint, wußte man doch, daß die meisten Besungenen letztlich nicht ledig bleiben würden. Text und Melodie lehnen sich an ein Soldatenlied aus dem 18. Jahrhundert an, in dem ein alter Hauptmann seinen ausgedienten Kriegsmantel besingt:

Schier dreißig Jahre bist du alt, hast manchen Sturm erlebt.
Hast mich wie einen Bruder beschützet,
und wenn die Kanonen geblitzet,
wir beide haben niemals gebebt.


Dieser Text bietet zumindest eine Möglichkeit, den Begriff des Sturmsingens zu erklären. Bis zum Ende der 50er Jahre war es üblich, daß den Junggesellen nach dem Ständchen eine Flasche Branntwein übergeben wurde. Der Brauch hat sich mit gewissen Änderungen bis heute erhalten. Der ursprünglich einfache Ablauf hat sich jedoch zu einer größeren Festlichkeit gewandelt, zu der die Dorfjugend, Freunde, Arbeitskollegen und Familienangehörige eingeladen werden. Die Feier findet dann in der Gastwirtschaft oder im Gemeindesaal statt. Die gesamte Zeremonie wird seit Ende der 50er Jahre feierlicher gestaltet. Die Kandidatin oder der Kandidat werden seitdem am Elternhaus abgeholt und in einem Schaukelthron (ein aufgeschnittenes Faß, das innen mit rotem Tuch ausgeschlagen ist) mit Gesang und Fackelschein zur Feier geleitet. Es ist üblich geworden, daß ihr oder ihm eine "Laudatio" in Versform zur "Biographie" gehalten wird, in der natürlich lustige Anekdoten besondere Erwähnung finden.

Die Vollendung des dreißigsten Lebensjahres ist in Acht somit bis heute ein Meilenstein geblieben, hat aber nicht mehr die Bedeutung früherer Jahre. Einerseits ist es keine Seltenheit mehr, daß man erst nach dem dreißigsten Geburtstag eine feste Bindung eingeht oder heiratet, andererseits ist die gesellschaftliche Akzeptanz Alleinstehender durchaus üblich geworden.

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